Heute hat die letzte Woche meiner Selbständigkeit als Beraterin und Coach begonnen, die vor rund einem Jahr ihren Anfang genommen hatte. Ein Jahr, das ist für eine Selbständigkeit nicht wirklich lang und doch kommt es mir wie eine Ewigkeit vor. Ein Coronajahr entspricht wohl sieben Menschenjahren.
Als ich letzten Herbst mit der Digitalstation gestartet bin, war es für mich der logische nächste Schritt, der auf rund 20 Jahre in Festanstellung folgen musste. Ich hatte in meinen Jobs viel über Unternehmen, Menschen in Unternehmen und deren Herausforderungen bei Veränderungen gelernt, hatte meinen Rucksack unterwegs mit hilfreichen Fortbildungen und Zertifizierungen gefüllt und war mehr als bereit all das, was ich gesammelt und gelernt hatte, nun auf eigene Faust und zu meinen eigenen Bedingungen zu nutzen und damit wirksam zu sein. Dass eine Selbständigkeit auf neuem Boden das genaue Gegenteil von Sicherheit bedeuten würde, das war mir zwar von Anfang an klar, aber ich wähnte mich gut ausgerüstet und hatte allen Grund zuversichtlich zu sein, dass es ausreichend Nachfrage für mein Angebot gab.
Dann kam der März und brachte Corona, Schul- und Kindergartenschließungen und Kurzarbeit. Anstehende Kundentermine wurden ersatzlos gestrichen, Projekte auf Eis gelegt, Prioritäten verändert. Dies blieb leider nicht ohne Konsequenzen für mein kleines Eine-Frau-Unternehmen. Die Digitalstation, mit der ich Führungskräfte und Unternehmen behutsam durch den digitalen Wandel begleiten wollte, stand plötzlich still noch bevor sie richtig Fahrt aufnehmen konnte.
Corona hielt (und hält) uns allen sehr deutlich den Spiegel vor, wie sehr wir auf unterschiedlichen Ebenen Begleitung und Beratung beim digitalen Wandel brauchen. Eigentlich gute Nachrichten für eine kleine Beratung wie meine! Aber ich lernte bald, dass in der allgemeinen Aufgeregtheit vor allem eine schnell verfügbare Soforthilfe nachgefragt wurde, während der Wunsch nach behutsamer und nachhaltiger Veränderung in den Unternehmen eher in den Hintergrund rückte. Digitale Beratungs-, Trainings- und Coaching-Angebote schossen wie Pilze aus dem Boden und boten Crashkurse zu allen Aspekten digitaler Transformation kostenlos oder zu symbolischen Preisen an. Damit wollte ich nicht konkurrieren – und konnte es ehrlicherweise auch gar nicht.
Der Wunsch der Unternehmen nach Sofortmaßnahmen ist natürlich folgerichtig und absolut nachvollziehbar. Gleichwohl zeigen mir meine eigenen Erfahrungen mit Veränderungsprojekten ebenso wie aktuelle Beobachtungen, dass vieles von dem, was gerade passiert, zwar schnell funktioniert, aber nicht nachhaltig wirkt.
Auch wenn mich die Ereignisse der letzten Monate an vielen Stellen rechts überholt oder sogar überrannt haben, bleibe ich doch davon überzeugt, dass auf den ersten Blick effektive Sofortmaßnahmen auf mittlere und lange Sicht nicht ausreichen, um eine einschneidende Veränderung wie die digitale Transformation in Unternehmen nachhaltig und für die Mitarbeitenden anschlussfähig zu gestalten. So charmant diese Quick Fixes auch auf den ersten Blick erscheinen mögen.
Ich musste mir angesichts dieser Entwicklungen natürlich irgendwann die Frage stellen, wo in der “neuen Weltordnung” denn nun mein Sweet Spot sein könnte. Gleichzeitig merkte ich aber auch, dass mich als Soloselbständige in Zeiten der Krise das Thema Existenzsicherung viel stärker als erhofft beschäftigte. So hatte ich mir das nicht nur nicht vorgestellt, so war es für mich auch einfach nicht erstrebenswert, denn das, was ich eigentlich tun wollte, fiel zunehmend hinten runter.
Ich trat die Flucht nach vorne an und äußerte öffentlich, dass ich für neue Herausforderungen im Kontext der digitalen Transformation offen bin und zwar unabhängig davon, ob es sich um selbständige Projekte oder Festanstellungen handelte. Mir ging es ja vor allem um das WAS (wirksam nachhaltige Veränderung zu gestalten) und nicht in erster Linie um das WIE (selbständig oder angestellt).
Mein Vorstoss war mutiger als vieles, was ich vorher gemacht habe, denn natürlich sagte ich der Welt: “Hey, es läuft nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe.” Und er war dennoch das Beste, was ich in der Situation tun konnte. Denn daraus entstanden inspirierende Gespräche, tolle Bekanntschaften und unerwartete Optionen für mich.
Eine dieser Optionen war für mich so reizvoll, dass ich ihr nachgegangen bin. Und nun werde ich schon in Kürze in einer spannenden und neu geschaffenen Rolle unter dem Dach eines tollen Unternehmens genau das tun, wofür ich vor einem Jahr mit der Digitalstation angetreten bin. Ich freue mich darauf und werde natürlich bald mehr darüber berichten.
Meinen lieben Weggefährt:innen, die Ihr mich so zahlreich unterstützt und ermutigt, immer an mich geglaubt und mich auch immer wieder inspiriert habt, möchte ich an dieser Stelle von Herzen danken. Ihr seid eine große Bereicherung für mich und ich bin froh, dass wir auf teils verschlungenen Pfaden zueinander gefunden haben.
Alle laufenden Projekte und Mandate der Digitalstation werde ich abschließen, neue Mandate nehme ich nicht an. Die ENABLRS, die die wundervolle Jo Kristof und ich im März zunächst als digitales Beratungs- und Coachingangebot gegründet haben, stehen vor einer umfassenden Neuausrichtung, die ich in einer passiven Rolle begleiten werde.
Photo by Jan Tinneberg on Unsplash
(Der Beitrag wurde zunächst am 26.10.2020 auf LinkedIn geteilt.)