Tischrücken & Bruchpiloten

Umzug | Ich habe ein Geheimnis, das ich wirklich mit Niemandem außer Euch zu teilen bereit bin. Ihr müsst mir allerdings versprechen, es außerhalb unseres intimen Kreises nicht weiterzusagen. Man weiß ja nie. Also, es geht los:

Wenn ich mit dem Rücken zur Tür oder in den Raum hinein sitzen muss, dann bereitet mir das massives Unbehagen.

Während es mir im privaten Kontext vielleicht nur unangenehm ist (und meine liebsten Freunde mir wissend schon längst freiwillig den Bank- oder Wandplatz überlassen), wage ich zu behaupten, dass es mir im beruflichen Kontext mindestens 30 Prozent meiner Produktivität klaut, weder Wand noch Fenster im Rücken zu haben.

Als ich nun letzten Freitag mein neues Büro betrat, hatten mir meine neuen Kollegen einen Platz in ihrer Mitte ausgesucht und ihn für mich hübsch hergerichtet. Ich erzählte bereits davon. Verheimlicht habe ich bisher aber die Lage des Platzes. Aus Gutem Grund. Er befindet sich mitten im Raum. Mit dem Rücken zur Tür. Und nachdem wir gleich am ersten Tag gefühlte 50 Besucher im Büro hatten und ich mich jedes einzelne Mal, wenn die Tür aufging, gleichermaßen gestört und beunruhigt umdrehen musste, sah ich mich schon nach wenigen Tagen in Notwehr ins Home Office ziehen.

Glücklicherweise konnte ich dieses harte Schicksal aber gerade noch abwenden, denn es gab in unserem Büro tatsächlich noch einen Platz mit Wand im Rücken und der Tür im Blick und auf diesen haben mich bezaubernden Herren Kollegen heute gemeinschaftlich umgezogen. Und jetzt ist plötzlich alles irgendwie gut.

Winter | Wer weiß, wie sehr ich mir diesem Winter und seinem Schnee hadere, der wird sich vermutlich wundern, dass ich heute ausnahmsweise ein Loblied auf diesen Wintertag singen werde. Weil – wie schön ist das bitte, wenn alle Bäume mit einer Reif-Eis-Schicht überzogen sind und bei klarem und sonnigen Himmel weiß vor sich hin strahlen? Ich konnte mich heute früh auf der Fahrt ins Büro an diesem magischen Anblick kaum satt sehen und das, obwohl ich die 20km bis ins Büro heute mehr stand als fuhr und daher zum sattsehen mehr als genug Zeit gehabt hätte.

Catch 22| Aus Gründen, die ich mir selbst nicht so richtig erklären kann, nehme ich mir immer viel mehr Dinge vor, als realistisch zu bewältigen sind. Da ist die Liste mit den Büchern, die ich lesen möchte und die immer länger anstatt kürzer wird, weil ich nach spätestens drei Seiten immer einschlafe. Da sind (Online-)Trainings, die entweder bereits gebucht und bezahlt sind und solche, die dringend gebucht und absolviert werden sollten, weil sie für den Abschluss noch fehlen. Da sind Kindersachen, die sortiert und verkauft werden wollen. Ein Haus, dem ein wenig KonMari nicht schaden würde. Der Sport, der getrieben werden sollte. Die Ernährung, die gesünder und selbstgekochter sein könnte. Die Kinder, mit denen ich noch mehr Quality-Zeit verbringen könnte und schließlich auch noch das ganze soziale Zeug mit den Menschen, die man hin und wieder zu Anlässen mal in echt treffen könnte. Und obwohl mir klar ist, dass das alles neben Vollzeitjob und zwei Kindern vermutlich nicht besonders realistisch umsetzbar ist, nehme ich es mir dennoch vor und bin im selben Moment enttäuscht, dass ich es nicht wirklich schaffe. Unterm Strich eine lose-lose-Situation.

Trotzkopf | Wenn man ein Kind hat, das (als Grundhaltung) in unbeobachteten Momenten die Schwimmflügelchen abstreift und mit der Selbstverständlichkeit eines Grafen Rotz einfach ins Wasser springt, ohne schwimmen zu können, dann ist das für eine nicht übermäßig hartgesottene Mama wie mich übrigens eine Herausforderung, die größer nicht sein könnte. Wir haben so ein Kind. Und das tägliche Leben mit ihm bedeutet ein Wechselbad zwischen überbordender, stolzer Liebe, weil das Kind so ausgesprochen resilient und robust ist und großer Sorge, weil Kamikaze sein zweiter Vorname sein könnte und ich Angst habe dabei zu versagen, das Kind vor seinem eigenen (Über)Mut zu beschützen. Niemand hat mir beigebracht, wie ich damit umgehen kann. Und so wurschtele ich mich nach dem Trial-und -Error-Prinzip irgendwie durch, entdecke sehr oft meine Grenzen und hoffe, dass ich mit der oft augenscheinlichen Stümperei nicht allzu viel Schaden anrichte. Supermom – das sind die anderen. Ich schlage mich eher so durch.

2 Kommentare

  1. Das mit dem Rücken zur Wand kenne ich auch. Im Restaurant versuche ich auch immer schnell, den Platz an der Wand zu ergattern. Im Büro könnte ich auch nicht mit dem Rücken zur Tür sitzen, verstehe dich da total. 🙂

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